Schon seit Jahrhunderten prägen professionelle Übersetzer und Dolmetscher die geschichtlichen Ereignisse der Welt. In den Gesichtsbüchern gerät dieser bedeutende Beruf oft in Vergessenheit, und der eigentliche Stellenwert der Sprachvermittlung geht verloren. Dabei ist der Wert richtiger Sprache wichtiger denn je, wie zahlreiche Geschehnisse zeigen.

382
Papst Damascus I gibt dem theologisch gelehrten und asketischen Priester Jerome die Vollmacht, eine revidierte Fassung der lateinischen Bibel zu erarbeiten. Die Vulgata (aus dem lateinischen: „vulgata“ = „allgemein gebräuchliche Fassung“) wird zur präferierten Fassung der Bibel für die römische Kirche. Heute wird Saint Jerome als heiliger Patron der Übersetzung und Lehre gefeiert.

1372
Geoffrey Chaucer, ein Autor der Canterbury Tales, trifft auf einer Reise in Italien auf die literarischen Werke von Francesco Petrarch und Giovanni Boccaccio. Obwohl Chaucer vom Beruf kein professioneller Dolmetscher ist, werden viele seiner späteren klassischen Werke durch italienische Literatur beeinflusst. Damit etablierte sich eine englische Tradition, denn viel englische Poesie ist beeinflusst durch ältere und fremde Literatur.

1519
Die Indianerin La Malinche arbeitete während der Besetzung von Mexiko als persönliche Dolmetscherin für den spanischen Eroberer Hernán Cortés. Diese Tätigkeit brachte Ihr Ruhm und Ehre, da sie besonders durch ihre diplomatischen Fähigkeiten überzeugte. Mehrere Besatzer sprachen sogar davon, dass der Sieg nur durch sie möglich war.

1535
Ein Schriftgelehrter wird wegen Ketzerei verhaftet und exekutiert. Es handelt sich um William Tyndale, einem bedeutenden Vertreter der protestantischen Reformationsbewegung, der die Bibel ins Englische übersetzte. Und genau das führte zu seinem tragischen Ende, denn die Übersetzung fand keinerlei Sympathie bei König Heinrich VIII. und der Kirche von England. Tyndales Werk wurde verboten und er qualvoll hingerichtet. Mehrere Jahrzehnte später wurde die King-James-Bibel eingeführt, welche zum Großteil auf der Übersetzung von Tyndale basiert und somit sein Erbe weiterführt.

1945 – 1949
Die Nürnberger Prozesse gelten als Startpunkt des simultanen Dolmetschens bei diplomatischen Konferenzen. Mithilfe von Mikrofonen und Headsets übersetzten mehrere Dolmetscher fast zeitgleich das Gesprochene und erreichten damit eine faire und schnelle Verurteilung der Kriegsverbrecher.

1956
Mitten im Kalten Krieg führt ein Übersetzungsfehler zu einem weiteren Vertrauensverlust zwischen Ost und West. Der sowjetische Premierminister Nikita Sergejewitsch Chruschtschow sprach zu einer Gruppe westlicher Diplomaten und sagte zu ihnen unter anderem: “Мы вас похороним!”. Sein persönlicher Dolmetscher Viktor Sukhodrev übersetzte diese Aussage ins Englische als „We will bury you“ .Damit löste er große Unruhe bei den westlichen Diplomaten aus, welche die Aussage als Drohung interpretierten. Das war aber gar nicht die Intention des damaligen Staatschefs der Sowjetunion, welcher eigentlich damit ausdrücken wollte, dass der Kommunismus den Kapitalismus überleben werde.

1964
1.313.000 Tote, unzählige Verletzte und ein zerrissenes, zerbombtes Land: Mit dem Beginn der US-amerikanischen Offensive im Vietnamkrieg startete für Amerika ein Dilemma, welches Millionen Menschen das Leben kostete. Aber warum? Im Jahre 1964 griffen die Nordvietnamesen angeblich zwei Mal US-amerikanische Zerstörer im Golf von Tokin an. Der zweite Angriff wurde zum Startschuss des Krieges, obwohl er nicht stattgefunden hatte. Nach Angaben der NYT hatte der amerikanische Nachrichtendienst NSA entscheidende Fehler bei der Übersetzung von kriegsrelevanten Informationen gemacht, welche im Endeffekt zu der Tragödie führten.

2010
Im Golf von Mexiko explodierte die Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ und richtete großen Schaden an der Umwelt an. Um die betroffenen Menschen zu besänftigen, sagte der schwedische Chef des Ölkonzerns BP:„We care about the small people“ und löste damit einen Skandal aus. Dieser Satz wurde für die englischen Muttersprachler zum Sinnbild der arroganten und überheblichen Einstellung des Ölkonzerns, welcher den Vorfall als „Fehlübersetzung“ darstellte. Eigentlich war wohl „common people“ statt „small people“ gemeint, aber der Schaden am Image war angerichtet.

2025
Kalter Krieg 4.0. Die Fronten zwischen Amerika und Russland verhärten sich weiter. Der russische Geheimdienst hatte Hunderttausende E-Mails sicherstellen können, die belegten, dass Amerika eine Großoffensive vorbereite. Die Panzer standen Kanone an Kanone in den Straßen Europas. Ein paar Tage später entspannt sich die Lage, weil herauskommt, dass die autonomen Übersetzungsalgorithmen verheerende Fehler gemacht hatten und somit die eigentlichen Aussagen der E-Mails entscheidend verfälschten.