Nicken heißt „ja“ und Kopfschütteln heißt „nein“? Kommt sehr darauf an, in welcher Weltgegend Sie sich gerade befinden. Gestik, Mimik und Körpersprache unterscheiden sich von Kultur zu Kultur ganz erheblich – und sind oft schwieriger zu „übersetzen“ als die Sprache selbst. Was in der einen Region als Zustimmung oder Lob gemeint ist, kann in der anderen schnell als Beleidigung aufgefasst werden. Hier erfahren Sie, wie Sie die größten Fallstricke umgehen.
Wenn ja nein heißt und nein ja: Wie Sie Körpersprache richtig übersetzen
Stellen Sie sich vor, Sie sind zu einer UNO-Konferenz nach Addis Abeba in Äthiopien gereist. Nach dem ersten Sitzungstag findet abends ein zwangloses Get Together statt. Der amerikanische Konferenzleiter fragt in die Runde, ob die Kollegen mit der Unterbringung zufrieden seien. Da Sie in einem First-Class-Hotel abgestiegen sind, nicken Sie fleißig – wie fast alle anderen Kollegen auch. Der Konferenzleiter lächelt zufrieden. Da fällt sein Blick auf den Inder neben ihnen: Er wiegt den Kopf hin und her, wie man es in unseren Breiten tut, wenn man Unzufriedenheit oder Unsicherheit signalisieren will. Das Lächeln schwindet aus dem Gesicht des Amerikaners. Sein Blick wandert zu dem Äthiopier, der neben dem Inder steht: Er wirft seinen Kopf zurück. Der Amerikaner rätselt: Was soll diese vorwurfsvolle Geste? Auch der Kollege aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hat den Äthiopier beobachtet. Er schüttelt empört den Kopf. Und schon ist die lockere Stimmung dahin.
Warum? Weil Zustimmung nicht überall auf der Welt mit einem Kopfnicken signalisiert wird. Wer in Indien, Pakistan und Bulgarien den Kopf hin und her wiegt, meint nicht „so lala“, sondern eindeutig „ja“. Genau das will auch der Äthiopier sagen, wenn er den Kopf zurückwirft. Diese Geste allerdings wird in der arabischen Welt als „nein“ gewertet. Womit die Missverständnisse in unserem Beispiel geklärt wären: Der Inder und der Äthiopier waren keineswegs unzufrieden mit dem Hotel, und der Araber hat den Äthiopier einfach missverstanden.
Vorsicht mit Handgesten
Soeben wurde das Buffet geschlossen, satt und zufrieden versammelt man sich zu einem Drink an der Bar. Der Türke fragt den Amerikaner, wie er das Essen fand. Der ballt die rechte Hand zur Faust und reckt grinsend den Daumen nach oben. Dem Türken entgleisen die Gesichtszüge; entrüstet wendet er sich ab. Der Amerikaner ist peinlich berührt: Was hat er bloß falsch gemacht? Er wendet sich an den Franzosen und probiert es nochmal mit einer anderen Geste. „Nice food!“ sagt er anerkennend und bildet mit Daumen und Zeigefinger ein O. Das hat er öfter bei Europäern beobachtet, die etwas ganz vorzüglich fanden. Der Franzose schaut entgeistert. Was hat der Ami bloß gegen das Essen, denkt er, das war doch ganz vorzüglich.
Daumen nach oben: Unser Zeichen für „alles super“ gilt in vielen anderen Weltgegenden als obszöne Beleidigung: in Australien, Teilen Afrikas und Asiens, Lateinamerika, Russland, Griechenland und der Türkei. Tramper sollten dort tunlichst vermeiden, den Daumen noch zusätzlich nach oben zu bewegen – sie machen damit alles nur noch schlimmer.
O-Zeichen: Ein aus Daumen und Zeigefinger gebildeter Kreis bedeutet in Mitteleuropa und Amerika „okay“ oder in kulinarischem Zusammenhang auch „delikat“. Belgier, Franzosen und Tunesier interpretieren das O aber als Null; sie zeigen mit der Geste, dass sie etwas als wertlos empfinden. Vermeiden Sie diese Geste unbedingt in Lateinamerika, Russland und Osteuropa: Hier gilt sie als obszöne Schmähung.
V-Zeichen: Josef Ackermann schrieb Geschichte damit: Die zum „Victory“-Zeichen gespreizten Zeige- und Mittelfinger sind ihm während des Mannesmann-Prozesses im Januar 2004 als Geste der Arroganz ausgelegt worden. Dabei wollte er einfach nur cool wirken. Heute muss man sagen: Er hat noch Glück gehabt. Denn hätte er dabei den Handrücken nach vorne gedreht, hätte er in Großbritannien oder Australien noch größeren Unmut bewirkt. Denn dort steht das Zeichen für eine extrem vulgäre Variante unseres ausgestreckten Mittelfingers.
Der Körper spricht mit
Nonverbale Kommunikation läuft nicht nur über Gesten. Vieles wird auch über Mimik, Augenkontakt und Körperdistanz ausgedrückt. Und natürlich lauern auch hier jede Menge Missverständnisse.
Tonfall und Lautstärke: Emotionale Kulturen (Südeuropa, arabische Welt, Indien, Südamerika) zeigen ihre Gefühle offener und direkter als kontrollierte Kulturen (Asien, Nordeuropa). So kommt es, dass Südeuropäer von Nordeuropäern – oder noch stärker von Asiaten – wegen ihrer lauten Sprechweise als unhöflich oder aggressiv erlebt werden. Die indische Lautstärke wird sogar von Südeuropäern als bedrohlich empfunden. Umgekehrt empfinden emotionale Kulturen die Zurückhaltung der anderen als kalt und arrogant.
Blickkontakt: Europäer blicken ihren Gesprächspartnern normalerweise in die Augen, um ihr aufrichtiges Interesse zu signalisieren. Wer dem Blickkontakt ausweicht, wird als hinterlistig oder unsicher wahrgenommen. Hingegen gilt direkter Blickkontakt in Japan als Respektlosigkeit; hier schaut man eher auf den Hals als in die Augen.
Körperkontakt: Wer darf wen wann wo und wie berühren? Kontaktfreudige Kulturen wie Araber, Lateinamerikaner, Griechen oder Türken haben ein anderes Verhältnis zu Nähe als kontaktscheuere Kulturen wie Nordeuropäer, Nordamerikaner oder Asiaten. Das können wir unschwer beobachten, wenn wir unsere Konferenzteilnehmer zusammen in einen Aufzug stecken: Der Deutsche oder Brite wird unwillkürlich zurücktreten, wenn ihm der Araber zu eng „auf die Pelle rückt“ – was dieser wiederum als Unhöflichkeit auslegen kann. Lateinamerikaner fassen sich sofort an Arme und Schultern, auch wenn sie Fremde sind.
Was tun, wenn Sie in eine solch peinliche Situation kommen?
Am besten, Sie thematisieren die Situation ganz offen. Damit nehmen Sie die Spannung heraus und bauen eine Brücke zu ihrem Gegenüber. Mit einer Prise Humor können Sie das Ärgernis sogar in eine unerwartete Annäherung ummünzen.