Hätten Sie gewusst, dass getrennte Rechnungen in Frankreich verpönt sind? Wer zum Geschäftsessen einlädt, zahlt auch. Dass Blumen in China als Unglücksboten gelten? Bringen Sie Ihrem Geschäftspartner lieber edle Pralinen mit. Dass amerikanische Kellnerinnen bis zu 20 Prozent des Rechnungsbetrages als Trinkgeld erwarten? Die Gehälter in der US-Dienstleistungsbranche sind eben nicht besonders üppig.
Andere Länder, andere Sitten
Wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen, kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Deshalb ist interkulturelle Kompetenz so wichtig. Sie hilft, solche Missverständnisse zu umschiffen. Das erleichtert die Kommunikation und legt damit die Grundlage für den Geschäftserfolg.
Denn was passiert, wenn man sich nicht mit den Sitten, Werten und Traditionen der anderen Kultur beschäftigt? Man zeigt, dass man nicht in der Lage ist, die Perspektive zu wechseln. Dass man nicht offen ist für Andersartiges. Dass man nicht bereit ist, sich selbst in Frage zu stellen. Keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit über Kulturgrenzen hinweg.
Daumen hoch? Nicht überall eine gute Idee
Dieselbe Geste sagt in verschiedenen Kulturen oft sehr Gegensätzliches aus. So bedeutet der nach oben gerichtete Daumen in Europa und Amerika „ok“ oder „gut“, in einigen islamischen Ländern ist er eine obszöne Geste. Mit dem Zeigefinger an die Schläfe zu tippen, kann ebenso „du spinnst doch“ heißen wie „du bist aber schlau“. Die Zunge herauszustrecken ist in Europa ein Zeichen von Abscheu, in Tibet von Hochachtung und Respekt.
Achtung, Missverständnis!
Wer unterschiedliche kulturelle Prägungen missachtet, tritt schnell ins Fettnäpfchen – und dazu muss er den eigenen Sprachraums nicht einmal verlassen. Hier einige typische Situationen:
- Zwei Italiener diskutieren lautstark, emotional und gestenreich miteinander. Der Deutsche oder Schweizer vermutet sofort einen Konflikt dahinter. Falsch, Lautstärke ist in Italien positiv besetzt. Sie gilt als Zeichen funktionierender Kommunikation.
- Ein Mitteleuropäer lädt einen arabischen Geschäftsfreund ein, seinen Hund zu streicheln. Der Araber schreckt mit einem Ausdruck des Ekels zurück. Der Grund: Hunde gelten im Islam als unrein, während sie in Mitteleuropa des Menschen bester Freund sind.
- Ein Deutscher bemerkt gegenüber Schweizer Geschäftspartnern mitten im Smalltalk: „So, genug geplaudert, kommen wir zur Sache.“ Diese direkte Art gilt in der Schweiz und in Österreich als ruppig und unhöflich. Hier bleibt man gerne im Ungefähren und setzt auf formale Höflichkeit, um ein gutes Kommunikationsklima herzustellen. Dies wird von Deutschen dann wiederum als unehrliches, ineffizientes Herumeiern betrachtet. Sprache dient in Deutschland allein dem Informationsaustausch.
- Dagegen werden sowohl Deutsche als auch Schweizer peinlich berührt sein, wenn der ewig begeisterte amerikanische Gesprächspartner alles „awesome“ und „amazing“ findet. Nüchternheit gilt in den USA als langweilig oder gar demotivierend.
Gefragt: Empathie und Sensibilität
Aussagen wie „die Amerikaner sind oberflächlich“ oder „Franzosen sind unpünktlich“ deuten an, dass man die eigenen Sitten zum Maß aller Dinge nacht. Wer ohne solche Vorurteile und Stereotype auf andere Kulturen zugeht, beweist hingegen interkulturelle Kompetenz.
Die Basis für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation ist also emotionale Kompetenz und interkulturelle Sensibilität. Emotionale Kompetenz ist die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle korrekt wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Interkulturell sensibel ist, wer andere Konzepte des Denkens, Fühlens und Handelns erfassen kann.
Interkulturelle Teams sind kreativer
Kulturelles Wissen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in einer zunehmend globalisierten und multipolaren Welt. Je besser man das Verhalten seines Gegenübers einschätzen kann, desto sicherer und souveräner wird man im Umgang mit ihm – und desto besser stehen die Chancen, dass Kommunikation gelingt. Kulturelle Vielfalt kann sogar ein Erfolgsmotor sein: Studien zeigen, dass internationale Teams mit hoher interkultureller Kompetenz kreativer und lösungsorientierter arbeiten als rein „monokulturelle“ Einheiten.
Übersetzer sind Kulturmittler
Gute Dolmetscher und Übersetzer kennen die oben geschilderten Fallstricke. Sie wissen: Sprachwissen allein genügt nicht, um eine Botschaft richtig von der Ausgangs- in die Zielsprache zu übertragen. Interkulturelle Kompetenz ist gefragter denn je – sei es im internationalen Geschäftsleben, bei politischen Verhandlungen, im Wissenschaftsaustausch oder im Umgang mit Migranten.
Übersetzer sind Kulturmittler – das macht ihren Beruf so spannend und vielfältig. In Zeiten zunehmender Migration umfasst das Berufsbild immer mehr Elemente der Mediation und des Konfliktmanagements. Das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ ist inzwischen Bestandteil vieler Übersetzungs-Studiengänge.